29.03.2008

Aktuelle Situation von Mustafa Atalay weiterhin kritisch - er muß Haftverschonung für seine Gesundheitsbehandlung erhalten

Schon mehrfach hat die Rote Hilfe Zeitung über den „Fall“ Mustafa Atalay berichtet. Der türkische Journalist befindet sich wegen des Vorwurf der Mitgliedschaft in einer ausländischen terroristischen Vereinigung in Untersuchungshaft.

Atalay war in der Türkei lange Jahre in Haft und hat schwere Folterverletzungen erlitten. 2000 erhielt er als politischer Flüchtling in der BRD Asyl. 2006 erlitt er einen Herzinfarkt, ihm wurden drei Bypässe gelegt. Im November desselben Jahres wurde ein Haftbefehl gegen ihn vollstreckt, während er sich in einer niedersächsischen Reha-Klinik befand. Er kam in den Sicherheitsbereich der JVA Hannover. Unter den dortigen strengen Isolationsbedingungen verschlechterte sich sein Gesundheitszustand rapide. Im Sommer 2007 waren zwei von drei gelegten Bypässen wieder verstopft. Der Anstaltsarzt lehnte die weitere medizinische Verantwortung ab.

Zwischenzeitlich war Öffentlichkeit zu diesem Vorgang organisiert worden. Medien, Bundestagsabgeordnete und auch das Bundeskanzleramt waren involviert. Während die Verteidiger eine Haftunterbrechung aus gesundheitlichen Gründen beantragten, bewegte sich die Justiz nur teilweise: Der Gefangene wurde im August 2007 in das Justizvollzugskrankenhaus in Lingen/Emsland verlegt.

Eine Verbesserung der Situation konnte dadurch aber nicht entstehen. Die Isolationshaft (Einzelunterbringung, Einzelhofgang etc.) wurde strikt fortgesetzt. Eine Behandlung der Herzkrankheit erfolgte „konservativ“ durch die Verabreichung von fünf täglichen Medikamenten. Das schwere Posttraumatische Belastungssyndroms wegen der Folter wurde seit der Festnahme überhaupt nicht therapiert (in Freiheit gab es sie).

Mustafa Atalay schrieb zu seiner Situation an die Öffentlichkeit:

Unter der Isolationsfolter habe ich meine Gesundheit vollends eingebüßt, das bedeutet großes Risiko!...Unter den Bedingungen der Isolation kann ich meine Gesundheit nicht wiedererlangen....Es ist wissenschaftlich belegt, dass „Isolation tötet“. Es ist wissenschaftlich belegt, dass „der Zeitfaktor bei einem Herzinfarkt entscheidend“ ist. Die nackte Wahrheit ist aber nicht so. Im Falle eines Herzinfarkts in der Isolationszelle hätte ich nicht einmal die Möglichkeit gehabt, jemanden zu benachrichtigen...Ich werde bestraft, bevor es irgendeine Gerichtsverhandlung gegeben hat....Die einzige Wahrheit ist, dass ich als ein Journalist der einen Kampf für Rechte, Freiheiten und Demokratie führt, mein Recht auf Leben und mein Recht auf Gesundheit will.

Jetzt - Mitte Oktober 2007 - spitzt sich die Lage weiter zu. Atalay soll erneut verlegt werden. Diesmal in das Gefängnis in Freiburg. Die dortige JVA ist nicht einmal ein Gefängniskrankenhaus, es gibt dort nur einen Anstaltsarzt. Ermöglicht wird dies Spiel mit dem Leben eines kranken Gefangenen auch deshalb, weil der Bundesgerichthof die Fortdauer der Untersuchungshaft angeordnet hat. Schon zynisch ist die Begründung: „Dass der Beschuldigte - insbesondere in psychotherapeutischer Hinsicht - in Freiheit gegebenenfalls eine bessere Betreuung erfahren könnte, begründet für sich nicht die Unzulässigkeit der Haft.“

Die Aktivitäten für eine Haftunterbrechung und notwenige medizinische Versorgung müssen deshalb weitergehen.

Das §§ 129a/129b- Verfahren selbst wird erst 2008 vor dem Oberlandesgericht Stuttgart beginnen (auch gegen weitere Beschuldigte). Nach fast einem Jahr Haft ist nach nicht einmal eine Anklage erhoben.

(Text erschienen in der Roten Hilfe Zeitung 2007)